31. Dezember 2016 - 10:48
Weihnachtliche und besinnliche Stimmung könnte dazu verführen, einen Jahresrückblick vielleicht rosiger ausfallen zu lassen als er war. Aber zumindest was die Statistik betrifft, braucht man eigentlich nichts rosig einfärben - es war in der Tat ein tolles Jahr für den Rennstall Wöhler und manche Wochenenden waren einem schon fast unheimlich. 25% der Starter gingen als Sieger über die Linie, das spricht für die gute Qualität der Pferde. Auch wenn wir das Ziel, die 30% der letzten Saison zu halten, leider nicht erreicht haben. Dass sich das Niveau der Protagonisten aber auch international messen lassen kann, zeigt eine Statistik der TRC Global Rankings. In diesen werden die Leistungen von Pferden über eine Periode von drei Jahren - weltweit sind 1450 Gruppe- und Listenrennen erfasst - in einem ausgeklügelten System bewertet. Die Kriterien sind sehr vielschichtig und individuell aber um das alles genau, und vorallem verständlich, auszuführen, würde aus dem Jahresrückblick ein Ostergruß werden. Fakt ist, dass sich der Trainer in dieser Statistik - zusammen mit Mark Casse aus USA und Yasutoshi Ikee aus Japan den 17. Platz teilt. Deutlich an der Spitze liegt A. P. O'Brien vor Chad Brown aus USA und Chris Waller/Australien. Aber nicht nur bei den Pferden stimmt die Qualität, auch unsere Mitarbeiter spielen in dieser Liga. Manche Tage sind logistisch gesehen ein echter Drahtseilakt und all die Arbeit zu bewältigen ist nicht einfach aber der Trainer kann sich immer 100%ig auf seine Leute verlassen, die ihm den Rücken frei halten und den Erfolg erst möglich machen.
Erfreulich - nach den schönen Erfolgen in 2016 - ist die Tatsache, dass bereits über 40 Jährlinge ihre Box auf Ravensberg bezogen haben und was man bis jetzt gesehen hat, ist genug Potential dabei auch 2017 zu einer guten Saison werden zu lassen.
Aber der Erfolg ist nicht alles und was uns im vergangenen Jahr oft schon sehr nachdenklich werden ließ, ist die Situation im Rennsport insgesamt. Daran ändert auch der unerwartete Geldsegen vom Verkauf von RaceBets nichts.
Es soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, wir gehören zu den ewig Gestrigen, die sagen:"Früher war alles besser" aber es war zumindest anders. Da stand das Pferd im Vordergrund, die sportliche Auseinandersetzung, der Sportsgeist. Lief ein Pferd schlecht, nahm man es zur Kenntnis und beim nächsten Mal lief es wieder gut. Die vielen und teils sehr lukrativen Auslandsverkäufe in den letzten Jahren wecken Begehrlichkeiten und heute wird mit jedem schlechten Laufen "Kapital vernichtet", der "Wert eines Pferdes vermindert". Deckhengste werden nicht mehr nach den Kriterien ausgesucht, ob sie zu Stute und Pedigree passen, nein, sie müssen "commercial" sein, man muss die Produkte auf den Auktionen verkaufen können, der Hengst muss "in" sein. Geht man heute zu einem Hengst, der eben nicht gerade "hip" ist, entschuldigt man sich schon fast automatisch mit dem Satz:"Wir züchten ja nicht für den Markt".
In England hat diese Einstellung schon ziemlich beängstigende Ausmaße angenommen. Bei der Besichtigung einiger neuer Deckhengste in Newmarket wurde uns von einem Insider genau ausgeführt, was bereits praktiziert und in den nächsten Jahren noch exzessiver betrieben werden wird. Gewinnt ein Hengst mit entsprechenden Papieren zweijährig auf Gruppeparkett, wird ausgerechnet, was er bestenfalls dreijährig auf der Rennbahn verdienen könnte. Dann wird geschaut, was in zwei Jahren bei der üblichen Anzahl an Bedeckungen hängen bleiben würde und da das in der Regel immer um einiges mehr ist, läuft die Vermarktungsmaschine an. Entspricht der Nachwuchs dann doch nicht den Vorstellung und die Zahl der Bedeckungen geht zurück - kein Problem, ist der Hengst halt out aber die nächsten "jungen Wilden" stehen ja schon wieder in den Startlöchern. Auf die Frage, ob das nicht zynisch wäre, hieß es, nein, das ist "commercial".
Haben wir zu Bremer Zeiten mittags die Stalltüren geschlossen und mussten uns weder um intakte Wasserleitungen, Mistabfuhr, Bahnpflege oder ähnliches kümmern, ist das seit unserem Umzug 2004 nach Ravensberg natürlich ein ganz anderer Schnack. 30h Land, die Bahnen, Boxen, Gebäude, Hecken, Grünflächen, Koppelzäune, Beregnungsanlage usw. pflegen oder reparieren sich nicht von selbst und die ganze Geschichte ist nicht nur sehr aufwendig was Personal betrifft, da ist auch jeden Monat finanziell einiges zu stemmen. Und Ravensberg ist keine Angelegenheit, die man mal so eben schnell mit vierwöchiger Kündigungsfrist beendet weil das ein oder andere nicht mehr paßt. Das wäre einmal vertraglich gar nicht möglich und abgesehen davon, wurde dafür einfach auch zuviel eigenes Geld investiert. Und so beobachtet man das Geschehen schon sehr genau und fragt sich, wohin der Weg geht. Was so geheim und brisant an den Verhandlungen mit der PMU war, will man sich lieber nicht so genau vorstellen aber es ärgert einen schon ganz gewaltig wenn Besitzer, Trainer, Reiter und Mitarbeiter - also die, die den Rennsport ausmachen - erst kurz vor Vertragsunterzeichnung informiert werden, dass die Verantwortlichen für doch sehr nebulöse und gar nicht richtig absehbare Erträge die Mehrheit an unser aller Entscheidungsgewalt aufgegeben haben. Das Ganze erinnert fast schon an die leidigen TTIP-Verhandlungen und die Konsequenzen dieser Angelegenheit sind ja auch für keinen von uns absehbar.
Wie weit es mittlerweile mit dem Sportsgeist ist - davon zeugt der Ordner mit den Berichterstattungen nach Isfahan's Derby-Sieg und der gesammelten Anwaltspost, inklusive Androhung von Unterlassungsklage. Nur um ein Beispiel zu nennen.
Die Erkenntnis zu verinnerlichen, dass es sich nur durch gemeinsames Handeln zum Guten wenden kann, darf nicht nur ein frommer Wunsch zum Jahreswechsel sein - es ist eine absolute Notwendigkeit. Im Moment gibt es vielleicht dieses scheinbar bequeme Geldpolster aber wie manch einer bezeugen kann, auch Millionäre gehen pleite und wenn diese nicht beizeiten die nötigen und langfristigen Strukturen geschaffen haben, leben sie danach wieder von der Hand in den Mund.
Angela Merkel's "Wir schaffen das" hatte ja leider nicht lange Bestand - für den Sport wünschen wir uns einen längeren Atem und den Weitblick für die richtigen Entscheidungen. In diesem Sinne - allen ein gesundes und erfolgreiches 2017!